Der unglückliche Sisyphos

An der Verfolgung der absolut partikularen Interessen
des je Einzelnen läßt sich das Wesen der Kollektive in der
falschen Gesellschaft am genauesten studieren […].[1]

Der Mensch suchte nach dem Zweiten Weltkrieg, wie in Zeiten zuvor, nach einem Abbild, einer Allegorie, einem Bild, in dem er sich wiederfinden konnte. Waren es früher die Götter, die nach seinem Ebenbild entstanden, mit denen man sich dann gemein machen konnte, so ist nach der Entzauberung der Welt kaum noch Ähnliches denkbar. Vielleicht ist in diesem Sinne Friedrich Nietzsches Zarathustra eine Art Übergangsfigur in der Sehnsucht nach einem idealisierten, gottähnlichen Menschen hin zum gewöhnlichen, entzauberten, nackten Bürobewohner der Neuzeit. Das ist nicht mehr alleine der Fall der Götter, es ist der Fall des Menschen selbst. Dieser Prozess der Entzauberung führte auch zu einer Transformation der Mythopoetiken, zu einer Veränderung der Bezüge und des Bezugsrahmens und auch zu einem Wandel, wie sie erzählt werden. Den Menschen unserer Gegenwart, längst aus dem Olymp geworfen, ist ein niederer Held wie Sisyphos näher geworden. Alleine der Gedanke, man könne heute noch Vergleiche und Bezüge ähnlich herstellen wie sie noch im 19. Jahrhundert denkbar waren, ist absurd. Was hundert Jahre zuvor ein selbstverständlicher Bezugspunkt war, scheint im 20. Jahrhundert nicht mehr gleichermaßen möglich zu sein und die Götter, unter denen Friedrich Hölderlin noch wandelte, sind uns heute fremder als je zuvor.

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