Unverfügbarkeit II

von Julia Lemburg & Nele Priebe

Machen wir uns die Liebe verfügbar?

So zumindest scheint es, wenn man Hartmut Rosas Ausführungen über Tinder und Co liest. Diese Passage, sowie weitere Auszüge aus Rosas „Unverfügbarkeit“ wurden am 07.11 im Literatur- und Kulturwissenschaftlichen Kolloquium, moderiert von Antje Dreyer, von Dozierenden und Studierenden verschiedener Fachrichtungen angeregt diskutiert. Zustimmung erfuhr diese These Rosas in dem Sinne, dass sich die Teilnehmer nahezu einig waren, dass der Begriff der Liebe verfügbar(er) wird, denn geht es in sämtlichen Dating-Portalen basierend auf Algorithmen noch um das, was wir wirklich unter Liebe verstehen? Durch Tinder und Co können wir zwar mehr Verfügbarkeit erzeugen, denn bei Ablehnung eines potenziellen Partners bekommen wir quasi unbegrenzten „Nachschub“. Dennoch, so lautete der Konsens der Teilnehmer, bleibt die Resonanz dabei auf der Strecke.

An einigen Stellen wurden jedoch auch kritische Stimmen zu Rosa laut. Macht er sich in seiner Argumentationsweise nicht gar die ganze Welt verfügbar? Sollen wir die aufgestellten Behauptungen so akzeptieren und hinnehmen oder gibt es Gegenargumente? Auch die (nicht direkten) Anknüpfungen Rosas an beispielsweise Martin Heidegger und Walter Benjamin wurden in diesem Rahmen kritisch betrachtet. Gezeigt hat sich während des Kolloquiums aber vor allem eins: „Unverfügbarkeit“ löst eine Menge Rede- und Diskussionsbedarf aus. 

Von Helene Fischer und Halbverfügbarkeit

Dass Hartmut Rosas Werk “Unverfügbarkeit“ nicht nur in geschlossenen philosophischen Kontexten anwendbar ist, sondern im Gegenteil, sich etliche Gedanken daraus auch im Alltag wiederfinden lassen, hat das Kultur- und Literaturwissenschaftliche Kolloquium am 07.11. gezeigt. Durch die Moderation von Antje Dreyer beteiligten sich Dozierende wie auch Studierende aus den Bereichen der Germanistik, Anglistik und Romanistik sowie der Kulturwissenschaft angeregt an der Diskussion um „Unverfügbarkeit“  

Rosa erläutert in seinem Werk, dass Resonanz eine Halbverfügbarkeit impliziert und verdeutlicht dies am Beispiel seiner schnurrenden Katze, deren Schnurren er weder beeinflussen noch kontrollieren kann. Ebenso verhält es sich mit einem Gedicht, welches nur dann Resonanzerfahrungen ermöglicht, wenn man es eben noch nicht ganz verstanden hat. Kritische Stimmen im Kolloquium haben (provokant) gefragt, warum Helene Fischer, mit zugegebenermaßen nicht besonders komplexen Songtexten, trotzdem so populär ist. Widerspricht das Rosas These der Halbverfügbarkeit? Können wir mit Dingen in Resonanz treten, die wir verstanden oder begriffen haben? Oder erwarten wir von vielen Dingen nicht auch eine Art Halbverfügbarkeit, weil wir es gewohnt sind?

In den 90 Minuten des Kolloquiums hat sich in jedem Fall gezeigt, dass „Unverfügbarkeit“ eine Menge Diskussionsansätze bietet und sich für jeden einzelnen, egal aus welchem Fachbereich, schnell weitere Beispiele für Rosas Thesen finden lassen, die jedoch zum Teil dem Gesagten auch kritisch gegenüberstehen.       

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